Natura 2000 in der Westlichen Ostsee

Die biologische Vielfalt sowohl an Land als auch im Wasser lässt sich langfristig oft nur dann erhalten, wenn Schutzgebiete miteinander verbunden werden. Diese Vernetzung ermöglicht vor allem Tieren mit großem Lebensraum wie dem Schweinswal oder mit ausgeprägtem Wanderverhalten wie Zugvögeln und einigen Fischarten, ihre natürliche Lebensweise beizubehalten. Zum Schutz und zur Erhaltung gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume wurde deshalb in der Europäischen Union (EU) das länderübergreifende Natura-2000-Netzwerk geschaffen

Ausweisung von Natura-2000-Gebieten

Das Natura-2000-Netzwerk setzt sich zusammen aus den Schutzgebieten der Vogelschutz-Richtlinie und denen der Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie.

  • Vogelschutz-Richtlinie: Sie regelt den Schutz aller in der EU wildlebenden Vögel, die teilweise weite Wanderungen unternehmen. Geschützt werden nicht nur die einzelnen Vogelarten, sondern auch wichtige Brut-, Mauser-, Rast- und Überwinterungsgebiete. In der Ostsee-Region ist beispielsweise die östliche Kieler Bucht solch ein wichtiger Rastplatz für Meeresenten.
  • FFH-Richtlinie: Diese Richtlinie definiert schützenswerte Lebensraumtypen, wie zum Beispiel Riffe, überspülte Sandbänke oder Salzwiesen. Es werden aber auch „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“ benannt, deren Lebensräume ebenfalls unter Schutz zu stellen sind. Für die Westliche Ostsee sind dies beispielsweise der Schweinswal und der Seehund.

Natura-2000-Gebiete müssen für die in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie gelisteten Vogelarten sowie für die in den Anhängen I und II der FFH-Richtlinie gelisteten Lebensraumtypen und Arten ausgewiesen werden. Von diesen Schutzgebieten profitieren auch viele andere Arten, so dass Natura 2000 einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt in Europa leistet. Mit derzeit über 20 % der Fläche der EU ist Natura 2000 das größte Schutzgebietsnetz weltweit.
 

Management von Natura-2000-Gebieten

Für die Gebiete werden Regelungen zu deren Schutz entwickelt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch von diesen Gebieten ausgeschlossen ist und er sie nicht nutzen darf. Es geht vielmehr um ein insgesamt nachhaltiges Management der Schutzgebiete. So werden beispielsweise wirtschaftliche und soziale Belange mit den Schutzzielen im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung abgewogen.

Für die Auswahl, den Schutz, das Management und die Finanzierung der Natura-2000-Gebiete an Land und im Küstenmeer sind in Deutschland die Länder zuständig. Jenseits der 12-Seemeilen-Zone, in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), ist der Bund verantwortlich. In Dänemark werden Natura-2000-Gebiete vom Staat ausgewiesen.
 

Marine Lebensraumtypen und Arten

Aufgrund des Vorkommens besonders gefährdeter und schützenswerter mariner Lebensraumtypen und Arten wurden in der Ostsee zahlreiche Meeresschutzgebiete geschaffen.

Zu den marinen Lebensraumtypen, die im Anhang I der FFH-Richtlinie aufgeführt werden, gehören die folgenden:

  • Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch Meerwasser:
    Sandbänke sind Erhebungen des Meeresgrundes, die bis dicht unter die Meeresoberfläche reichen können, aber bei Niedrigwasser nicht frei fallen. Sie sind vegetationsfrei oder haben eine spärliche Vegetation aus Großalgen und Seegräsern. Die spezifische sandbewohnende Fauna wird u. a. von Wasservögeln und Fischen als Nahrung genutzt.
  • Ästuarien:
    Ästuare sind Flussmündungen ins Meer mit regelmäßigem Brackwasser-Einfluss. Eingeschlossen sind die angrenzenden Ufer- und Überschwemmungsbereiche. Sie weisen Brackwasserröhrichte, Staudenfluren, brackige Watt- und Wasserflächen, Salzwiesen und Auengebüsche auf.
  • Vegetationsfreies Schlick-, Sand- und Mischwatt:
    An der Ostsee mit ihrem geringen Tidenhub zählen hierzu die Windwattflächen mit ihren Weichböden. Sie sind vegetationsfrei oder vegetationsarm (z. B. mit Seegras bewachsen) und haben eine artenreiche Bodenfauna. Das Windwatt ist ein wichtiger Nahrungsplatz von Wasservögeln mit besonderer Bedeutung für Zugvögel im Zusammenhang mit Mauser, Rast und Überwinterung.
  • Lagunen des Küstenraumes (Strandseen):
    Unter Lagunen werden vom Meer weitgehend oder vollständig abgeschnittene Küstengewässer mit zumindest temporärem Salzwassereinfluss verstanden. Sie sind oft nur durch schmale Strand- oder Geröllwälle vom Meer getrennt und bei winterlichen Sturmfluten von Meerwassereinbrüchen betroffen. Lagunen sind ein charakteristisches Element der Ausgleichsküsten. Der Salzgehalt und der Wasserstand der Strandseen können stark variieren.
  • Flache große Meeresarme und -buchten (Flachwasserzonen und Seegraswiesen):
    Der Lebensraumtyp umfasst allgemein flache Meeresteile, in denen durchlichtete Bereiche dominieren und in denen noch große Wasserpflanzen wachsen können. Die ständig wasserbedeckten Seegraswiesen als einer der produktivsten und artenreichsten Teillebensräume unserer Meere gehören ebenso dazu wie die Bodden und Haffs der Ostsee. Je nach Gebiet kommen unterschiedliche Substrate (Hart- und Weichböden) vor, sind sie vegetationsfrei oder mit Seegraswiesen bewachsen.
  • Riffe:
    Riffe sind vom Meeresboden aufragende Erhebungen aus Hartsubstraten, die dauerhaft unter Wasser liegen oder bei Niedrigwasser freifallen können. Es kann sich in der Ostsee um geogene Felsbildungen, Geschiebe und Steine oder aber um biogene Hartsubstrate wie Miesmuschelbänke handeln. Riffe weisen häufig eine charakteristische Makrofauna auf.

In der Westlichen Ostsee sind darüber hinaus Meeressäuger und Fische verbreitet, die laut FFH-Richtlinie einen EU-weiten Schutzstatus genießen. Aufgrund des Vorkommens von Schweinswal, Kegelrobbe und Seehund wurden mehrere Schutzgebiete eingerichtet. Hinzu kommen die zahlreichen Wasser-, See- und Küstenvogel-Arten vor allem aus den Gruppen der Seetaucher, Lappentaucher, Meeresenten und Seeschwalben, für die eigens in der Region Vogelschutzgebiete geschaffen wurden. Sie nutzen das offene Meer insbesondere als Nahrungs- und Rast-, aber auch als Mausergebiet.