Unterwasserlärm

Unterwasser hören – geht das eigentlich? Aber klar! Geräusche breiten sich in der Luft, in Festkörpern und in Flüssigkeiten aus. Im Wasser breitet sich Schall sogar viermal schneller aus als in der Luft. Außerdem führt die höhere Dichte des Wassers zu einer verlustfreieren Übertragung der Geräusche.

Die Ostseelebewesen kommunizieren seit Urzeiten in ihrem wässerigen Lebensraum in Frieden miteinander. Es wird gegrunzt, gequakt und geknurrt. Fische knirschen mit den Zähnen, stoßen blubbernd Wasser aus oder erzeugen Knurrlaute mit ihrer Schwimmblase. Wale führen sogar regelrechte Ferngespräche miteinander.

Stumm wie ein Fisch?

Von wegen! Den Tieren steht eine ganze Palette an Möglichkeiten zur Lauterzeugung zur Verfügung: Einige Fische bringen ihre Schwimmblase zum Schwingen, indem sie durch schnelle Muskelkontraktionen darauf trommeln oder gezielt Luft aus ihr entlassen. Auf diese Weise erzeugt der Knurrhahn sein Knurren und Heringe unterschiedliche Töne. Eine Lippfischart der nord- und südamerikanischen Atlantikküste kann man sogar noch über Wasser hören. Ihre Laute gleichen einem Nebelhorn. Manche Fischarten reiben ihre Flossen in den Schultergelenken und erzeugen damit ein Knarren oder sie knirschen mit den Zähnen. Andere können an gespannten Sehnen zupfen wie an einer Gitarrensaite. Manche Schwarmfische verständigen sich durch Rufe, der Seeteufel kann wie eine Maus quieken. Bei vielen Fischen ist der Grund für die Lautäußerungen noch unbekannt. (Meer & Küste; Nr.4 / 2013)

Solange nur natürliche Geräusche z.B. von Wind und Wellen für ein Hintergrundrauschen sorgten, war dies kein Problem. Doch seit einiger Zeit ist dies anders.

Die Ostsee ist zu einer Schiffsautobahn geworden. Rund 2000 große Schiffe sind täglich auf ihr unterwegs. Diese Schiffe und natürlich auch die kleineren machen viel Lärm: Schiffsschrauben, Motoren, der Schiffskörper der durchs Wasser schiebt...  Zusätzlich noch das Sonar, das zur Kommunikation vor allem vom Militär genutzt wird. Diese Geräusche liegen genau in dem Niederfrequenzbereich von 0,1 bis 10 Kilohertz, in dem zum Beispiel auch unser kleiner Schweinswal kommuniziert. Und in einer Lautstärke von mindestens 150 bis 190 Dezibel. Unterhaltungen zwischen den Tieren werden also immer schwieriger, ihr Kommunikationsradius wird stark eingeschränkt und Studien zeigen, dass Wale sogar anfangen zu "schreien", um ihre Artgenossen noch zu erreichen.

In Zukunft wird es noch lauter: Die Entstehung von Windparks auf See verursacht einen solchen Lärm, dass er auf die Meeresbewohner gehör- und organschädigend wirkt. Denn bei der Verankerung der Windräder werden die Stützpfeiler mit unzähligen Hammerschlägen in den Meeresboden gerammt. Leider überschreitet diese Baupraxis das vom Umweltbundesamt vorgegebene Limit von 160 Dezibel in einer Entfernung von 750 Metern oft um das Doppelte. Denn Lärmschutzmaßnahmen sind gesetzlich noch nicht zwingend vorgeschrieben, obwohl die technische Entwicklung schon mehrere Möglichkeiten geschaffen hat.

Auch Erkundungs-Explosionen der Ölförderung, Sand- und Kiesabbau, militärische Schallexperimente und akustische Scheuchvorrichtungen an Fischernetzen stellen für die sensiblen Gehöre von Walen eine Dauerbelastung mit gravierenden Folgen dar.

Der Lärm führt zu einer Hörschwellenverschiebung, die temporär, aber auch dauerhaft sein kann. Diesen Effekt kennt mancher vielleicht selbst, wenn er zu laut Musik gehört hat und im Anschluss ein Rauschen im Ohr vernimmt und insgesamt schlechter hört. Durch den Lärm wird das Gehör der Meerestiere also extrem belastet. Dies betrifft sowohl Fische als auch Meeressäuger wie zum Beispiel den Schweinswal. Doch das Gehör wird nicht nur für die Kommunikation, sondern auch für die Orientierung benötigt. Schweinswale orientieren sich über Echolokation, das heißt, sie "sehen" gewissermaßen mit den Ohren. Durch die Hörschwellenverschiebung finden sich die Tiere nicht mehr zurecht und die Mutter-Kalb-Bindung wird gestört, so dass Kälber ihre Mutter in der Weite der Ostsee nicht mehr finden können. Zudem können sie ihre Nahrung, hauptsächlich kleinere Fische, nicht mehr orten. Taubheit bedeutet für sie den sicheren Tod.

Und nicht nur Wale, auch Fische sind vom Baulärm betroffen. Die starken Schallwellen können zum Beispiel ihre Schwimmblase zerstören, so dass die betroffenen Tiere zugrunde gehen. Die Folgen auf die Bewohner des Meeresbodens sind noch weitgehend unerforscht, sie können allerdings oft nicht entkommen, da sie sich nur langsam oder gar nicht fortbewegen können. Studien zeigen aber, dass selbst bei Krebsen schon allein aufgrund von Schiffslärm Stressreaktionen nachweisbar sind.

Zusätzlich stören und ängstigen laute Geräusche die Meeresbewohner so sehr, dass sie aus den ihnen angestammten Gebieten flüchten. Auch die sogenannten Pinger – akustische Scheuchvorrichtungen, die die Fischer an ihre Netze anbringen, damit z.B. Schweinswale nicht hineingeraten, verscheuchen die Tiere. Das ist besonders schlimm, wenn es in Schutzgebieten passiert. Wenigstens in diesen Gebieten sollte es den Tieren möglich sein, in Ruhe zu leben, ungestört zu kommunizieren, zu jagen und ihre Kälber großzuziehen.

Lösungsstrategien

Der BUND fordert die konsequente Einhaltung der Vorgaben beim Bau von Windparks. Die 160 Dezibel müssen zum Schutz der Meeressäuger auf jeden Fall eingehalten werden. Dies lässt sich durch effektive Schallschutzmaßnahmen wie Blasenschleier erreichen.

Außerdem müssen Schiffe in Zukunft mit einem leiseren Antrieb entwickelt werden. Dass dies möglich ist, zeigen die Propeller von Marineschiffen und -U-Booten. Diese sind um ein vielfaches leiser als die der Handelsschiffe. Generell sollte es in Zukunft auf unseren Meeren ein Tempolimit geben. Dies würde nicht nur den Lärm, sondern auch den Treibstoffverbrauch und damit die Emission von Schadstoffen in die Luft verringern.

Blasenschleier können Lärm bei Rammarbeiten deutlich mindern

Dabei wird ein Druckluftschlauch um die Lärmquelle herum auf dem Meeresgrund ausgelegt. Vom Schiff aus wird Luft in den Schlauch gedrückt, die aus vielen kleinen Löchern im Schlauch ausströmt. Auf diese Weise entsteht eine „Wand“ aus Blubberblasen. Die Luftblasen wirken im Wasser als Schallschutz. Die vorgegebenen Richtwerte bei Unterwasser-Bauarbeiten können damit eingehalten und die Meeresbewohner geschützt werden.

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