Fischerei
Lange Zeit erschienen den Menschen die Fischbestände so grenzenlos wie die Ozeane selbst. Doch seit den achtziger Jahren gehen die Fischbestände in unseren Meeren stark zurück. Immer größere Fangschiffe mit immer größeren Netzen fischen heute mit tödlicher Präzision die Meere leer. Mit 3D-Sonar ist es selbst in schwer zu befischenden Gebieten mit scharfkantigen Riffen und Wracks möglich, ganze Fischschwärme zu orten und systematisch bis auf den letzten Fisch abzufischen. So viele Lebewesen, wie diese mörderischen Flotten fangen, können nicht auf natürliche Weise nachwachsen. Die heutige Form der Fischerei hat daher bedrohliche Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften im Meer.

Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften
Die Fischerei ist nicht wahllos; sie bevorzugt bestimmte Arten, deren Verkauf wirtschaftlich besonders rentabel ist. Das verändert die Zusammensetzung des gesamten Nahrungsnetzes. Vorrangig genutzt werden die großen, räuberischen Fischarten. Ist der Bestand ausgebeutet, wird auf eine kleinere Art ausgewichen. Dieses stufenweise Abfischen der Nahrungskette heißt "fishing down the food web" und kann ganze Ökosysteme zum Kollaps bringen, bis irgendwann nur noch Arten der niedrigsten Stufe wie Quallen und Krustentiere übrig sind. In der Ostsee sind heute sechs von zehn erfassten Fischbeständen überfischt.
Fischerei in der Ostsee
Die von allen Ostsee-Anrainerstaaten kommerziell am intensivsten befischten Arten sind Hering, Dorsch (in der Nordsee auch Kabeljau genannt), Sprotte, Flunder, Meerforelle und Lachs. Für Deutschland, Dänemark und Schweden ist der Dorsch seit den 1970er Jahren der wichtigste Wirtschaftsfisch aus der Ostsee. Zwischenzeitlich waren die Dorschbestände völlig überfischt und hatten ein Rekordtief erreicht. Der totale Kollaps des Bestandes war zu befürchten. In den letzten Jahren konnte eine Bestandszunahme festgestellt werden, die den konsequenten Managementplänen, die 2007 eingeführt wurden, und der Eindämmung der illegalen Fischerei zuzuschreiben ist. Heute kann Dorsch aus der östlichen Ostsee wieder gegessen werden. Für Hering und Sprotte sieht es in der Ostsee dafür umso schlechter aus.
Zu viel, zu klein, zu unwählerisch – hoher Fangdruck auf die Bestände
Noch immer liegen – trotz besseren Wissens – die vom europäischen Ministerrat beschlossenen Fangquoten aus politischen und sozioökonomischen Gründen häufig deutlich höher als die wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES). Es werden jedoch nicht nur zu viele Tiere, sondern häufig auch zu kleine und zu junge Fische abgefischt, die als ungewollter Beifang in den Netzen landen. Dadurch können die Fische kaum mehr zur Geschlechtsreife heranwachsen und durch Nachwuchs die Befischung ausgleichen. Problematisch ist darüber hinaus der Beifang von Arten, die nicht das Ziel der Fischer waren und daher oft einfach wieder über Bord gekippt werden – mit sehr geringer Überlebenschance. Die Rückwurfrate ist enorm: 1.7 Millionen Tonnen Fisch werden jedes Jahr wieder über Bord geworfen – das entspricht fast einem Viertel (23%) des gesamten EU-Fischfangs!

Verheerende Auswirkungen
Auf der Suche nach bodenbewohnenden Fischarten pflügen Grundschleppnetze und Baumkurren den Meeresboden um, wodurch Bodenbewohner entwurzelt und zermalmt werden. Ganze Lebensgemeinschaften werden durch Fangmethoden wie diese zerstört. Die Erholung des Lebens auf den befischten Flächen dauert mehrere Jahre und wird meist durch wiederholtes Befischen verhindert. In Stellnetzen, die vor allem in der Herings-, Dorsch- und Schollenfischerei eingesetzt werden, verfangen sich zudem Seevögel und Meeressäuger wie unser kleinster und einziger heimischer Wal, der Schweinswal. Da sie sich nicht mehr befreien können, ertrinken die gefangenen Tiere qualvoll.
Obwohl die Anzahl der Fischereifahrzeuge abgenommen hat, ist der Fischereiaufwand in den europäischen Gewässern aufgrund gesteigerter Effizienz der Fahrzeuge immer noch zu hoch: Die Überfischung hat dazu geführt, dass der Aufwand an Energie und Technik pro Fisch heute durchschnittlich 94%, also 17 mal höher ist als am Ende des 19. Jahrhunderts. Das hat zur Folge, dass bodenlebende Fische seit der Industrialisierung der Fischerei kaum mehr vorhanden sind und sich das Ökosystem des Meeresbodens gravierend verändert hat.
Was tun gegen die Überfischung?
Endlich hat die europäische Politik ein Einsehen: Nach Jahrzehnten der Ausbeutung haben sich im Mai 2013 das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat auf eine längst überfällige Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik geeinigt. In mehrjährigen Wirtschaftsplänen werden nun die Bestände der befischten Arten so gemanagt, dass das sogenannte MSY-Level nicht überschritten wird. MSY steht für "Maximum Sustainable Yield" und beschreibt die größtmögliche Fangmenge einer bestimmten Art, die über einen gewissen Zeitraum gefangen werden kann, ohne dass der Bestand in seiner Existenz bedroht wird. Dies soll zu einem Ende der Überfischung führen und langfristig nachhaltige Fischbestände garantieren.
Zudem wird die Menge des erlaubten Rückwurfs begrenzt, und zwar auf fünf Prozent der jährlichen Fangmenge bis 2020. Der BUND kritisiert dies jedoch, denn der Bestand vieler Fischarten würde nur wirklich profitieren, wenn der Rückwurf von zu kleinem Fisch oder der "falschen" Fischart völlig verboten würde. Die Fischer würden so auch gezwungen, ihre Fangmethoden zu einer größeren Selektivität hin zu verbessern. Außerdem könnte der ohnehin schon gefangene und tote Fisch auch wirtschaftlich verwertet werden, zum Beispiel als Futterzusatz für die Aquakultur.

Wichtig ist es auch, Alternativen zu Stellnetzen und zu grundberührenden Schleppnetzen zu finden, um die heimische Fischerei zu erhalten. Diese sind nicht nur, aber besonders in Meeresschutzgebieten wegen ihrer hohen Beifangrate bzw. der großen Bodenzerstörung problematisch. Die Erforschung von Alternativen sollte von Untersuchungen begleitet werden, welche Praktikabilität, Handhabung, Selektivität und Fängigkeit sowie den Beifang näher betrachten. Mögliche vorbildliche Fangmethoden wären zum Beispiel Jiggingmaschinen, automatisierte Langleinensysteme, Großreusen, Dorschreusen und beköderte Fischfallen.
Zusätzlich sollten in den FFH-Schutzgebieten sogenannte "no-take zones" eingerichtet werden, in denen nicht gefischt werden darf und in denen sich die Bestände ungestört erholen können. Ein guter Weg, um sich durch den Dschungel an Ratschlägen zu schlagen, welcher Fisch noch gegessen werden darf, ist das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council). Dieses sollte beständig überarbeitet und erweitert werden.

Jeder kann im Alltag mit seiner Kaufentscheidung Einfluss hin zu einer nachhaltigeren Fischerei nehmen
- Konsumieren Sie bewusst! Kaufen Sie nachhaltig gefangenen Fisch mit dem MSC-Siegel!
- Fisch ist gesund. Aber Fisch mehrmals in der Woche zu essen ist nicht nötig; die Fischressourcen der Meere sind sonst bald erschöpft. Fisch ist eine besondere Delikatesse.
- Nutzen Sie die Fischführer der Umweltverbände!
- Seien Sie ein Vorbild für Ihre Familie und Freunde und vermitteln Sie ihnen einen wertschätzenden Umgang mit der begrenzten Ressource Fisch.
- Kaufen Sie nicht jeden Fisch! Leider sind viele Arten mit Umweltgiften belastet und durch Überfischung gefährdet.
Bis zum letzten Fisch – und dann? (pdf-Version der BUND-Broschüre)
Lebendige Ostsee – Beispiele für vorbildliche Fangmethoden und ihre Anwendbarkeit auf den Ostseeraum (Bericht der Deutschen Umwelthilfe)